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​Frauenweis(s)heiten im Juli

Kathrin Buffon (72) hatte den Wunsch, Pianistin zu werden, doch die Eltern wollten, dass sie Geld verdiene und Kinder gebäre. Das Schicksal hatte mit ihr anderes vor. Mit zwanzig erkrankte sie an Myasthenia gravis (Muskelschwäche). Sie wusste urplötzlich, dass sie nie Kinder haben würde. Kathrin Buffon liess sich davon nicht einschränken und wählte ihren ganz eigenen Weg. Sie machte eine kaufmännische Ausbildung und lebte von der IV. Daneben lernte sie reiten, besuchte Jahrzehnte lang Aikido-Lektionen. Sie züchtete erfolgreich Hunde und wanderte nach Frankreich aus. Vor zehn Jahren kam sie in die Schweiz zurück, entdeckte das Harfenspiel und hat noch immer viele Pläne.

Bernadette Kurmann hat einen Bruder mit geistiger Behinderung. «Er hat mich stark gemacht», erzählt sie, weil er sie gelehrt habe, nicht darauf zu achten, wenn andere Menschen tuscheln und hinschauen. «Sie schauten ohnehin: Wenn wir im Dorf spazierten, später, wenn meine Kinder mit dem grossen Onkel auf dem Spielplatz herumturnten. All das kümmerte mich nicht.» Das sei keine Heldinnentat gewesen, meint sie. Denn dank des Bruders habe sie von klein auf ganz selbstverständlich gelernt, ihren Weg zu gehen, und für das einzutreten, was ihr wichtig war. Dann liest sie einen Artikel im NZZ-Folio und kommt noch einmal ins Reflektieren: über das Leben und Menschen mit und ohne Behinderung.

Polarisierungen beherrschen heute Politik und Gesellschaft, findet Monika Fischer, und sie fragt sich: «Warum diese Etikettierungen, verbunden mit gegenseitigem Ausspielen? Hat das in Zeiten von Trump und Co. mit dem zunehmenden Populismus, der damit verbundenen Schlagwortpolitik und den sozialen Medien zu tun?» Wie dem auch sei, Monika Fischer findet, dass Vorurteile und einseitiges Schwarz-Weiss-Denken dem Menschen nicht gerecht würden. In Zeiten weltweiter dringender Fragen fordert sie vorurteilsloses Aufeinander-Hören und offene Diskussionen. «So, wie es uns die beiden neuen Bundesrätinnen Viola Amherd und Karin Keller Suter vormachen.»

Monika Fischer und Bernadette Kurmann

Kontakt
Monika Fischer
fischerabt@bluewin.ch


PORTRÄTS: FRAUEN DER GROSSMÜTTERGENERATION
«Ich wusste, dass ich nie Kinder haben würde»
«Ich wusste, dass ich nie Kinder haben würde»

Agil, neugierig, offen bis ins hohe Alter.

Foto & Text: Bernadette Kurmann

Eigentlich wollte Kathrin Buffon (72) Pianistin werden, doch die Eltern hatten dafür kein Geld. Sie sollte verdienen und Kinder gebären. Das Schicksal hatte mit ihr aber ganz anderes vor. Mit zwanzig erkrankte sie an Myasthenia gravis (Muskelschwäche). Sie wusste urplötzlich, dass sie nie Kinder haben würde. Ansonsten liess sie sich nicht einschränken: Sie nahm Abschied von der Ausbildung zur Krankenschwester, liess sich fürs Kaufmännische ausbilden und arbeitete Teilzeit. Den Rest finanzierte eine halbe IV-Rente. Daneben lernte sie reiten, machte Jahrzehnte lang Aikido. Ihre Passion sind Hunde. Sie begann erfolgreich zu züchten und wanderte nach Frankreich aus. Vor zehn Jahren kam sie in die Schweiz zurück, entdeckt das Harfenspiel und hat neue Pläne. ​​

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WAS UNS BESCHÄFTIGT

Kopie oder Original?

Bernadette Kurmann

Mein jüngster Bruder ist geistig behindert. Er hat mich stark gemacht. Er hat mich gelehrt, nicht darauf zu achten, wenn andere Menschen tuscheln und mich schräg anschauen. Von klein auf lernte ich dank ihm, dass mich das nicht kümmern muss. Sie schauten ohnehin: Wenn wir im Dorf spazierten, später, wenn meine Kinder mit dem grossen Onkel ausf dem Spielplatz herumturnten. Die Leute schauten, weil sie es merkwürdig fanden, dass ich diesen eigenartigen Mann (vielleicht sogar mein Ehemann?) an meiner Seite hatte. All das kümmerte mich nicht. Das war keine Heldinnentat, denn dank meines Bruders lernte ich von klein auf ganz selbstverständlich, meinen Weg zu gehen, und für das einzutreten, was mir wichtig ist.

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AKTUELL

​Solidaritäten statt Polaritäten

Monika Fischer

«Sollen linke Feministinnen mit bürgerlichen Frauen zusammenarbeiten?» Diese Frage der Journalistin in der WOZ Nr. 20 an die ehemalige Nationalrätin Christiane Brunner im Vorfeld des Frauenstreiks irritierte mich. Umso mehr freute mich die Antwort der Galionsfigur des Frauenstreiks von 1991: «Ich bin um jede Frau froh, die in die Politik geht. Feminismus ist nicht zwangsläufig eine Frage von links oder rechts. Beim Gleichstellungsgesetz etwa hatte ich Hilfe von Vreny Spoerry, einer sehr reichen Freisinnigen aus Zürich. Auch für sie gab es einen Grund, für Gleichstellung zu kämpfen, obwohl sie liberal war. Die meisten Männer hingegen haben sich darum foutiert. Ich habe immer viel Solidarität erfahren von bürgerlichen oder auch apolitischen Frauen, mein ganzes Leben lang.» Warum war 28 Jahre nach dem ersten Frauenstreik ein überparteiliches Zusammengehen der Frauen nicht mehr selbstverständlich? Was hat sich seither in Politik und Gesellschaft verändert?

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