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Stolz, eine alte Frau zu sein

Barbara Bischoff

Ich bin 74 Jahre alt (jung?). Ich habe graue Haare und viele Runzeln. Meine Oberarmmuskulatur ist nicht mehr so straff, da kann ich mit Hanteln trainieren soviel ich will. Mein Rücken ist nicht mehr ganz gerade, und meine Knochen sind nicht mehr die stärksten. Oft erzähle ich dieselbe Episode, da ich vergessen habe, wem ich diese bereits erzählt habe. - Ich bin eine alte Frau! Ich fühle mich sehr wohl und habe mit diesen altersbedingten Einschränkungen kaum Probleme.

(Fortsetzung)

Probleme habe ich eher damit, dass frau in unserer Gesellschaft nicht alt sein sollte. Altsein wird oft als eine «Schande» angesehen. Ich darf eine rüstige Seniorin sein, eine lässige Goldenagerin oder eine sportliche Rentnerin usw.
Aber eine alte Frau?
Nenne ich mich so, kommen oft Antworten wie: «Nein, du bist doch nicht alt.» Häufig höre ich auch die Aussage: «Was, du bist schon 74? Das gäbe man dir gar nicht». Ebenso kommen auch Aussagen von Gleichaltrigen wie: «Ich bin bereits 75, fühle mich aber viel jünger...»

Ich weiss noch genau, wie ich mich mit 60 fühlte: voll im Berufsleben, sehr engagiert und fit. Ich weiss aber nicht, wie «frau» sich mit über siebzig fühlen müsste. Ich weiss nur, wie ich mich im Moment fühle, und dieser Zustand ist nicht mehr derselbe wie mit gut sechzig.

Als vor Jahren meine kleine Enkelin zu ihrer Mutter sagte, dass die Grossmama eine alte Frau sei, reagierte meine Tochter entsetzt auf diese Aussage der Kleinen. Damit wurde mir bewusst, dass Altsein auch eine Wertung ist. Ein Kind wertet kaum. Die geliebten Menschen sind, wie sie sind, die einen jung, alt, dick, dünn, runzlig, blond, sympathisch oder unsympathisch. Sie akzeptieren die Menschen in ihrer Vielfalt ohne jede Wertung.

In der Coronakrise wurde das Alter vermehrt zu einem Thema. Die Gesellschaft musste uns Alten schützen. Vielen Dank! Die Solidarität war wirklich gross, vor allem in der ersten Phase.

Die meisten Menschen möchten alt werden, aber nicht alt sein. Warum haben wir so Mühe, das Alter positiv zu sehen? Wir haben einen Reichtum an Lebenserfahrungen und sind sicher sehr viel weiser geworden. All diese Erfahrungen haben mein Leben vor allem positiv geprägt. Ich möchte darauf nicht verzichten.

Oft wird das Bild der alten Frau mit dem Groselibild (Werbung der Stadtpolizei Zürich) gleichgesetzt. Das Groseli hat einen Dutt (Haarknoten) eine Nickelbrille und strickt. Dazu lächelt es und ist mit sich und der Welt zufrieden. Schön!

Doch möchte ich im Alter kein «Es» sein und nicht auf dem Ofenbänkli sitzen. Ich habe den Anspruch, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und will mitentscheiden, was für mich alte Frau gut ist. Wir alten Frauen können unsere Bedürfnisse selber äussern und wissen wahrscheinlich am besten, was für uns gut ist.

Ich denke, es liegt an uns alten Frauen, dem negativen Bild entgegenzutreten und uns stolz «Alte Frauen» zu nennen. Fangen wir an!

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