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Nicht müde werden - weitermachen

Monika Fischer


Seit ihrem Bestehen befasst sich die GrossmütterRevolution immer wieder mit dem Thema der Care- resp. Sorgearbeit. Diese wird bezahlt und unbezahlt nach wie vor vorwiegend von Frauen geleistet. Als Grundvoraussetzung fürs Leben ist sie eine wertvolle Investition in die Gesellschaft und muss deshalb aufgewertet werden. Basis dazu geben die ausgewiesenen Fakten, die von der Politik mehr Beachtung finden müssten. Dazu gehören die Ergebnisse des Bundesamtes für Statistik zum Satellitenkonto Haushaltproduktion. Die Ende 2022 veröffentlichten Ergebnisse zeigten: Im Jahr 2020 fielen 41,4 % der Bruttowertschöpfung in

(Fortsetzung)

Im Frühling 2012 hatte ich erstmals an einem Anlass der GrossmütterRevolution teilgenommen. In Arbeitsgruppen beschäftigten wir uns angeregt von Fachpersonen mit verschiedenen Themen. Das grösste Interesse fand der Workshop «Care-Ökonomie – Die andere Hälfte der Wirtschaft», geleitet von der Wissenschafterin Ulrike Knoblauch von der Universität Freiburg. Wie sie aufzeigte, untersucht die Care-Ökonomie, wie und in welchem Umfang bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit in einer Gesellschaft bereitgestellt wird und wer diese Arbeit für wen leistet. Gemäss den von ihr präsentierten Untersuchungen aus dem Jahr 2007 arbeiteten Frauen ungefähr einen Drittel bezahlt und zwei Drittel unbezahlt, die Männer knapp 60% bezahlt und gut 40% unbezahlt. Als monetärer Wert der unbezahlten Arbeit wurden 372,7 Milliarden Franken errechnet. Dabei machen Hausarbeiten 67%, Kinderbetreuung und Pflege 22% und Freiwilligenarbeit 11% aus. Die Referentin und die Teilnehmerinnen der GrossmütterGeneration waren sich einig: Die Sorgearbeit ist eine Grundvoraussetzung fürs Leben und somit eine wertvolle Investition für die Gesellschaft. Die unbezahlte Care- resp. Familien-, Pflege- und Betreuungsarbeit muss zusammen mit den damit erworbenen Qualifikationen besser sichtbar gemacht und anerkannt werden. Dies gilt ebenfalls für die Leistungen, welche die Grosseltern für die junge Generation erbringen. Einige der anwesenden Frauen zeigten sich ernüchtert, da sie seit Jahrzehnten für die gleichen Anliegen kämpfen. Trotzdem waren sie entschlossen, weiterhin hartnäckig dranzubleiben.

Das Alter ist uns teuer
In den folgenden Jahren setzte sich die Manifestgruppe der GmR intensiv mit dem hohen Alter und der damit verbundenen Care-Arbeit auseinander. Dazu wurden 2015 von Marie-Louise Barben und Elisabeth Ryter der Bericht «Care-Arbeit unter Druck» verfasst, ein Jahr darauf erschien das Manifest zu Lebensqualität und Langzeitpflege.
Mit einer Kundgebung zum Thema «Das Alter ist uns teuer» trugen die Frauen ihr Anliegen im September 2017 in Bern in die Öffentlichkeit. In der Medienmitteilung hatte ich damals geschrieben: «Wir wehren uns gegen die zunehmende Ökonomisierung des Lebens und haben es satt, als Kostenverursacherinnen und Last für die Gesellschaft bezeichnet zu werden. Denn die Hochaltrigkeit ist eine Errungenschaft unserer Zivilisation, die mit einer gesellschaftlichen Verantwortung verbunden ist. Und ja: Die beiden letzten Lebensjahre sind in der Regel teuer. Das Alter ist aber auch wertvoll und darf in der reichen Schweiz etwas kosten. Zudem bringen wir Alten wahrscheinlich mehr als wir kosten. Wir bezahlen Steuern und leisten unbezahlte Betreuungsarbeit für Enkelkinder und pflegebedürftige Angehörige im Wert von Milliarden von Franken.» Im gleichen Jahr stand das GrossmütterForum im Herbst unter dem Thema «Altlast oder Goldesel – kosten wir tatsächlich mehr als wir leisten?»

Care-Arbeit sichtbar machen und aufwerten
Und wo stehen wir heute? Im Zusammenhang mit dem aktuellen Pflegenotstand wird als eine der Ursachen unter dem Unwort «Überalterung» immer wieder auf die hohe Zunahme der alten Menschen an der Bevölkerung hingewiesen. Das kann bedrücken, wenn frau selber ins Alter kommt und auf Pflege und Betreuung angewiesen ist. Wir wissen es längst: Die Care-resp. Sorgearbeit ist eine Grundvoraussetzung fürs Leben und eine wertvolle Investition in die Gesellschaft. Sie muss deshalb aufgewertet werden.
Wie sich schon an der Frühlingstagung vor gut zehn Jahren zeigte, waren die anwesenden Frauen trotz Ernüchterung entschlossen, weiterhin hartnäckig dranzubleiben. Angesichts des scheinbar alles beherrschenden Neoliberalismus ist ein langer Atem gefragt.

Die Fakten liegen auf dem Tisch

Grundlage dazu gibt unter anderem das 2022 vom Bundesamt für Statistik veröffentlichte «Satellitenkonto Haushaltproduktion». Dieses erweitert den zentralen Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, in der nur ein marginaler Teil der unbezahlten produktiven Leistungen der privaten Haushalte berücksichtigt wird. Es ermöglicht somit, die wirtschaftliche Bedeutung der unbezahlten Arbeit zu messen und ihren Anteil an der erweiterten Gesamtwirtschaft zu bewerten.
Das Ergebnis zeigte: Im Jahr 2020 fielen 41,4 % der Bruttowertschöpfung in der erweiterten Gesamtwirtschaft auf die Haushalte ab. Im Jahr 2020 wurden von der ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren in der Schweiz 9,8 Milliarden Stunden unbezahlt gearbeitet. Im Vergleich dazu wurden 7,6 Milliarden Stunden gegen Bezahlung gearbeitet.
Insgesamt wird die geleistete unbezahlte Arbeit auf einen Geldwert von 434,2 Mia Franken geschätzt. Die Hausarbeit macht mit 318,9 Mia Franken oder rund 73,4% den grössten Anteil aus. Die Betreuungsaufgaben werden auf 33,2 Mia des Gesamtwerts geschätzt, die Freiwilligenarbeit auf 33,2 Mia des Gesamtwerts. Insgesamt beläuft sich der Beitrag der Frauen auf 59,6% des Gesamtwerts.
Die Fakten liegen auf dem Tisch. Deshalb: Nicht müde werden – weitermachen!

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