Schliessen

Freiwilligenarbeit als Bereicherung

Texte: Monika Fischer, Irmgard Bayard

Monika Fischer möchte auch im Alter nicht nur für sich, sondern auch für andere da sein. Sie macht dies weniger bei persönlichen Einsätzen, als über Projekte und ihre journalistische Arbeit. Um zu verhindern, dass alles zu viel wird, versucht sie, in sich hineinzuhören, was wirklich zu ihr gehört. Auch für Irmgard Bayard ist es wichtig, sich immer wieder Zeit für andere zu nehmen. Was ihr dies persönlich gibt, schildert sie am Beispiel ihrer Erfahrungen in einem Besuchsdienst: «Zeit haben, Zeit schenken. Was gibt es Schöneres und Befriedigenderes für beide Seiten!»

(Fortsetzung)

Was zu mir gehört
Monika Fischer

In meiner Jugendzeit vermittelte meine Mutter Familienhelferinnen. Wenn sie niemanden für einen Einsatz fand, schickte sie manchmal mich in eine Familie. Einmal kochte ich in der fremden Küche für einen Vater mit sechs Kindern das Essen, an andermal für ein betagtes Ehepaar. Mit 14, 15 Jahren bibberte ich wohl vor meinen Einsätzen, war aber im Nachhinein stolz, wenn ich es geschafft hatte.
So ist Care und die damit verbunden Freiwilligenarbeit für mich seit jeher ein zentrales Anliegen. Nicht, weil ich mich als Frau besonders für andere verantwortlich fühle. Vielmehr ist es mir als Mensch wichtig, Mitmenschlichkeit zu leben. Darum geht es mir auch beim Schreiben: ein Sprachrohr zu sein für Menschen, die selber keine Stimme haben. Wichtig sind mir dabei die gesellschaftspolitischen Zusammenhänge, hat doch Care neben Erfolg, Leistung und Geld in unserer neoliberalen Gesellschaft einen geringen Stellenwert. Weiterhin schreibe ich u.a. Texte für den Verein «Migration – Kriens integriert», den NL «Luzern60plus» und redigiere die Frauenweis(s)heiten.

Rückblickend wird mir bewusst, dass mein soziales Engagement neben dem Schreiben mehr in der Projektarbeit liegt als in der persönlichen Unterstützung. Dies änderte sich, als mir die Überlastungssituation beim Besuch eines befreundeten Ehepaars einen Schock und einen spontanen Gedanken auslöste: Bin ich fähig, zur Entlastung des ehemaligen Kollegen wöchentlich ein paar Stunden mit der demenzkranken Frau zu verbringen? Will ich mich wirklich dazu verpflichten? Nach sorgfältigem Abwägen meldete ich meine Bereitschaft - und wurde nicht abgewiesen. Nach einigen Monaten mit regelmässigen Besuchen wurde die Übersiedlung der Freundin ins Pflegeheim unausweichlich. Seither besuche ich sie dort alle paar Wochen gemeinsam mit ihrem betagten Mann. Es sind für mich Sternstunden, bei denen ich Existentielles erfahre und viel mehr bekomme, als ich geben kann.

Und doch merkte ich, dass die strukturelle Arbeit meiner Persönlichkeit mehr entspricht als das private Engagement. Doch will ich dies auch heute noch in meinem 80. Lebensjahr? Lange zögerte ich nach der überraschenden Anfrage. Jetzt freue ich mich auf die (befristete) Mitarbeit im Vorstand des kürzlich gegründeten Trägervereins Prostir für einen Begegnungsort mit Aktivitäten für geflüchtete Ukrainerinnen und ihre Kinder. Ja, ich bin dankbar, etwas zur Linderung der Not der leidgeprüften Menschen aus diesem Land beitragen zu können, das ich schätze und für seine Widerstandskraft bewundere.

So erweitert mein freiwilliges soziales Engagement auch heute meinen Horizont, gibt mir Genugtuung und Befriedigung. Ich kann dabei Wissen und Erfahrungen einbringen und bin ständig am Lernen. Wenn es zu viel wird, mache ich, was sich bewährt hat: Ich lege mich kurz hin, fühle mit Kopf und Bauch in mich hinein, ob ich noch mag, die Sache wirklich meinem innersten Anliegen entspricht und meine ist.



Zeit haben und Zeit schenken
Irmgard Bayard

Seit einigen Monaten bin ich im Besuchsdienst tätig. Einerseits beim Schweizerischen Roten Kreuz, wo ich mehrmals im Monat eine einzelne, beinahe blinde Frau betreue, andererseits beim Frauenverein Langenthal, wo wir Menschen im Heim oder in den Alterswohnungen zum 85. Geburtstag und dann ab dem 90. jedes Jahr mit einem kleinen Geschenk und unserer Anwesenheit überraschen. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommt, bin nun jedoch erfreut über die vielen Geschichten, die ich höre oder Gefühle, welche ich erfahre – und hoffentlich auch geben kann.

Da ist einmal der 92-jährige pensionierte Metzger, der mir bei einem Kaffee aus seinem Leben erzählte. Er betrieb eine Metzgerei, als Langenthal noch ein Dorf war, in einem Quartier, von dem ich noch nicht einmal wusste, dass dort einmal ein solches Geschäft zu finden war. Es sei nicht einfach gewesen, erfahre ich, denn die «Gutbetuchten kauften in der Märitgasse ein und nicht bei mir.» Er sei jeweils mit seinen Wurstwaren bis ins Berner Oberland gereist, wo diese sehr geschätzt worden seien. «So kam ich über die Runden.» Der Stolz, mit dem er mir davon berichtete, hat mir imponiert.

Oder das Ehepaar um die 90 in einer Alterswohnung, wo mir Kaffee und Kuchen serviert wurde. Er hört und sieht nicht mehr so gut, sie wiederholt sich bei ihren Erzählungen immer wieder. Aber die Herzlichkeit und die Freude über den Besuch bleiben mir in guter Erinnerung. Sie freue sich schon auf meinen nächsten Besuch im kommenden Jahr, wenn sie 90 Jahre alt werde, versicherte sie mir beim Abschied.

Etwas anders laufen die Besuche in der Demenzabteilung ab. Hier ist die Bandbreite des Gesundheitszustandes sehr breit. Mein erster Besuch dort galt einer 85jährigen Frau, mit der man nicht mehr im üblichen Sinne kommunizieren kann. Die Befürchtung, mehr als eine Viertelstunde würde ich es dort wohl nicht aushalten, erwies sich als komplett falsch. Über eine Stunde lang sassen wir beisammen, ich erzählte ihr vom Alltag, sie streichelte mich, nahm mich mit auf einen Spaziergang im Demenzgarten und lächelte mich immer wieder an. Für mich hiess das: Erholung pur, ohne Eile, ohne auf die Uhr schauen, einfach nur da sein.

Oder die 94-Jährige, welche mir ganz viel erzählte aus ihrem Leben. Ob alles stimmte, kann ich nicht beurteilen, und es ist mir auch egal. Sie hatte einfach Freude, mit jemandem zu plaudern, eine Besucherin zu empfangen, welche zuhörte.
Und genau das ist es, was zählt: Zeit haben, Zeit schenken. Was gibt es Schöneres und Befriedigenderes für beide Seiten.

Wir verwenden Cookies und ähnliche Technologien, um das Nutzererlebnis auf unserer Website zu verbessern. Durch die weitere Nutzung dieser Website stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies und ähnlichen Technologien zu. Mehr erfahren