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Einsatz fürs Klima als Herzensanliegen

Rosmarie Wydler-Wälti machte auch am WEF 2022 in Davos auf das Engagement der KlimaSeniorinnen aufmerksam.
Rosmarie Wydler-Wälti machte auch am WEF 2022 in Davos auf das Engagement der KlimaSeniorinnen aufmerksam.

Interview: Monika Fischer, Foto: Hollie Adams/Boomberg

Im Gespräch mit Rosmarie Wydler-Wälti, Co-Präsidentin des Vereins KlimaSeniorinnen

Weltweite Dürren und Umweltkatastrophen rütteln auf. Dieses Jahr hat die erste Hitzewelle bereits im Mai die Schweiz erreicht. «Gerade für ältere Menschen bedeutet dies eine ernsthafte gesundheitliche Belastung. Deshalb bietet die Stadt Luzern ab sofort ein neues kostenloses Präventions- und Beratungsangebot an», war in einer Medienmitteilung zu lesen. Trotz dieser alarmierenden Tatsachen ist die Schweiz weit entfernt von den gesetzten Klimazielen. Gemäss Rosmarie Wydler-Wälti, 72, ist hauptsächlich unsere Generation für das Klimadesaster verantwortlich. Deshalb engagiert sich die Umweltaktivistin als KlimaSeniorin in enger Zusammenarbeit mit Greenpeace mit einer Klimaklage fürs Handeln.

(Fortsetzung)

Monika: Du gehörst zu den Initiantinnen der KlimaSeniorinnen und wirkst seit Beginn als Co-Präsidentin. Wie kam es dazu?

Rosmarie: An der Frühlingstagung der GrossmütterRevolution 2016 im Schwarzenberg stellte Oliver Heimgartner von Greenpeace sein Anliegen vor. Europaweit hatte die Organisation angesichts der drohenden Klimakatastrophe in verschiedenen Ländern erfolgreich eine Klage gegen die Klimapolitik eingereicht. Dies sollte auch in der Schweiz geschehen. Klagen kann jedoch nur eine Gruppe von Menschen, die von den Folgen der Klimapolitik nachweislich persönlich betroffen ist. Das sind alte Frauen. Spontan entschlossen sich mehrere der Anwesenden zum Mitmachen. Auch im Welschland fanden sich rasch alte Frauen, die sich für das Anliegen erwärmten, darunter Ex-Nationalrätin Anne Mahrer, die andere Co-Präsidentin. Schon im August 2016 haben wir den Verein der KlimaSeniorinnen gegründet.

Was hat dich für dieses Engagement motiviert?

Bei meiner Zusage war ich ziemlich naiv und wusste nicht, was auf mich zukommt. Andererseits ist die Umweltthematik für mich seit jeher ein zentrales Thema. Erstmals war ich in den 70er-Jahren an der Demo gegen das AKW Kaiseraugst dabei und habe seit Beginn an den Ostermärschen teilgenommen. Ich engagierte mich in kirchlichen Frauengruppen für eine intakte Umwelt und eine gesunde Ernährung und würde mich als Ökofeministin bezeichnen. Besonders geprägt haben mich die Folgen der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. Sie zeigte, dass auch wir in der vermeintlich sicheren Schweiz von Umweltkatastrophen betroffen sind. Unsere Generation ist hauptsächlich verantwortlich für das Klimadesaster. In unserer Generation begann die Entwicklung, dass alles noch grösser, noch besser, noch schneller sein sollte. Eine Entwicklung auf Kosten der armen Länder, die jetzt am meisten unter den Klimafolgen mit Wirbelstürmen und Dürre leiden. Deshalb ist der Einsatz für die Einhaltung der Klimaziele auch eine Frage der Gerechtigkeit.

Bei der Vereinsgründung im August 2016 war es das Ziel des Vereins, eine Klimaklage beim Bund einzureichen.

Ja, denn wir fühlen uns mit unserer erwiesenen besonderen Verletzlichkeit als ältere Frauen vom Bundesrat nicht genügend geschützt vor der Klimaerwärmung. Dieser ging nicht einmal auf unsere Forderung für das in der Bundesverfassung und den Menschenrechten garantierte Recht auf Leben und Gesundheit ein. Deshalb verfassten wir mit der Unterstützung von Juristinnen unsere Klage. Darin fordern wir eine unabhängige gerichtliche Überprüfung der Klimapolitik. Unser Ziel ist es, dass der Staat seine Schutzpflichten uns gegenüber wieder wahrnimmt und ein Klimaziel verfolgt, das der Anforderung genügt, eine gefährliche Störung des Klimasystems zu verhindern. Wir fordern zudem umfassendere, auf dieses Ziel angepasste Massnahmen und eine bessere Umsetzung der bereits beschlossenen Massnahmen. Siehe klimaseniorinnen.ch.

Die beim Bund eingereichte Klimaklage wurde 2017 abgewiesen. Ihr habt nicht locker gelassen und seid mit eurer Klage bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gelangt. Was hat euch zu diesem hartnäckigen Dranbleiben motiviert?

Es ist die weltweite Dringlichkeit des Problems. Ich halte es mit Jane Fonda, die sagte: «Ich werde bis zum letzten Atemzug auf die Barrikaden gehen.» Wir alten Frauen haben ja nichts mehr zu verlieren.

Was erwartet ihr von Strassburg?

Wahrscheinlich ein Urteil nächstes Jahr. Wir können es uns nicht vorstellen, dass es eine Absage gibt und setzen grosse Hoffnung in die Behandlung des Anliegens in der Grossen Kammer mit 17 RichterInnen.

Wird der Verein aufgelöst, wenn eure Klage angenommen wird?

Nein nein, wir bleiben und kontrollieren, bis die Agenda umgesetzt ist.

In den bald sechs Jahren seines Bestehens hat der Verein im Hinblick auf das Vereinsziel verschiedene Aktionen durchgeführt. Welches sind für dich die eindrücklichsten Projekte?

Da gibt es viele. Wir treten nie einzeln, sondern immer als Gruppe auf, zum Beispiel bei der Einreichung der 150seitigen, von den Juristinnen Ursula Brunner und Cordelia Bähr verfassten Klage im UVEK. Dazu gehören unsere Demo am WEF 2017, und 2019 das Interview mit Greta Thunberg auf der Schatzalp. Dazu gehören auch die Teilnahmen bei den «Klimaspuren», wo ich 14mal mitgegangen bin und natürlich 2017 die Woche auf dem Greenpeace-Schiff auf den Lofoten.

Wie reagieren Öffentlichkeit und Politik auf die KlimaSeniorinnen und ihre Forderungen?

Ich stelle fest, dass wir nicht immer ernstgenommen werden. So habe ich mich z.B. gewehrt, als im Tagi ein Artikel über die Klimaklagen in anderen Ländern veröffentlich wurde und wir nicht einmal erwähnt wurden. Der Journalist antwortete, er habe uns schlicht vergessen. Das gibt mir den Eindruck, dass wir alten Frauen nicht ernstgenommen, ja ignoriert werden. Das zeigen sich z.B. auch bei Aktionen gemeinsam mit den Klimagrosseltern, bei denen auch ich Mitglied bin. In den Medien wird dann über die alten grauen Männer berichtet, die auch optisch viel sichtbarer sind. Und doch ist uns die Vernetzung unter anderem mit der Klimajugend und der Gletscherinitiative wichtig.

Wie reagieren Familie und Umfeld auf dein Engagement bei den KlimaSeniorinnen?

Für meinen Mann war die Umweltthematik als Chemielehrer schon immer ein Herzensanliegen. Er unterstützt mich voll und hilft wo nötig, zum Beispiel bei technischen Fragen am Computer. Im Familien- und Freundeskreis ist es eine Gratwanderung, wieviel ich von meiner Haltung und meinem Engagement weitergebe. Es liegt mir fern zu missionieren, und ich möchte keine Beziehungen riskieren. Angesichts der düsteren Zukunftsszenarien möchte in auch in den Enkelkindern keine Ängste auslösen und ihnen die Freude am Leben z.B. bezüglich Flugreisen und Kleiderkauf nicht vergällen. Vielleicht kann ich durch mein Beispiel am meisten weitergeben.

Was gibt dir Kraft für dein auch zeitlich intensives Engagement?

Ich geniesse die zwei Tage beim Betreuen des jüngsten Enkelkindes, die täglichen Spaziergänge im Wald mit meinem Mann und das Singen beim «Stimmvolk Schweiz». Das gibt mir Distanz und Kraft.


Rosmarie Wyder-Wälti, 72, Basel, Kindergärtnerin, Eltern- und Paarberaterin, Mutter von vier Kindern und Grossmutter von sechs blutsverwandten und zwei Patchwork-Enkelkindern.

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