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Abschied nehmen

Barbara Bischoff

In den letzten zwei Jahren wurden wir durch die Pandemie sehr oft mit Sterben und Tod konfrontiert. Die Übersterblichkeit schnellte in die Höhe, einige verloren geliebte Angehörige oder Freunde. Wir alten Menschen wussten, dass wir sehr gefährdet sind. Das war die Gelegenheit, sich mit der eigenen Endlichkeit zu befassen. Dies veranlasste mich, die Patientenverfügung zu kontrollieren und zu ergänzen. In dieser Pandemiezeit erhielt ich innert Monaten die Nachricht von zwei Freundinnen, dass sie an Lungenkrebs erkrankt seien.

(Fortsetzung)

Edith kannte ich seit meiner Kindheit, und wir waren auch durch unsere Herkunftsfamilien in Kontakt.
Mit Maria habe ich die Ausbildung zur Pflegefachfrau gemacht, und wir waren im späteren Leben lose in Kontakt.
Edith, an einem inoperablen Lungentumor erkrankt, hat sich sehr mit der Diagnose und der unmittelbaren Zukunft auseinandergesetzt. Sie entschied sich für eine Chemotherapie, vor allem wegen ihrer Familie.
Wir hatten in dieser Zeit sehr gute Gespräche. Sie fühlte sich von mir verstanden, da ich selber einmal eine Chemotherapie durchgemacht hatte. Unsere Telefonate waren sehr persönlich. Wir sprachen über die Ängste vor dem Sterben, das Nachher, über die Nebenwirkungen der Chemo, über Exit, aber auch über Alltägliches und unsere gemeinsamen Erinnerungen.
Edith befasste sich sehr mit dem Sterben und dem Tod. Sie liess sich eine Urne töpfern und bereitete sich auf das Abschiednehmen vor. Trotz allem wollte sie weiterleben, und wir haben bei unseren Gesprächen auch viel gelacht.
Sie hat die Chemotherapie gut ertragen und hatte dadurch noch ein gutes Jahr, trotz ihrer Krankheit. In unserem letzten Gespräch sagte sie mir, dass sie wieder Lust auf Zigaretten hätte. Ich sagte ihr: «Dann rauch doch, das macht ja nichts. Sonst stirbst du allenfalls noch gesund, und das lohnt sich nicht». Darüber musste sie sehr lachen.
Zwei Tage später schrieb sie mir, es gehe ihr sehr schlecht, sie sei im Spital und leide. Sie melde sich dann später. Das konnte sie nicht mehr. Sie starb ohne Schmerzen, so wie es der Arzt ihr versprochen hatte. Sie wurde 67 Jahre alt.
Wir konnten ihr Leben an einem von ihr gewünschten Abschiedsfest feiern. Dies hat mich sehr getröstet.

Mit Maria habe ich den Kontakt vor etwa drei Jahren wieder aufgenommen, als ich erfahren hatte, dass ihr Mann nach einer langen Alzheimererkrankung im Alter von 70 Jahren gestorben sei. Maria hatte ihn sehr gut begleitet, und ich gönnte ihr, nun wieder etwas Zeit für sich zu haben. Diese Zeit nutzte sie sehr mit der Familie und dem grossen Freundeskreis. Leider nur für kurze Zeit.
Maria konnte sich den Tumor noch operieren lassen. Die anschliessende Chemotherapie machte ihr aber Probleme, und sie musste sie abbrechen. Ihr positives Denken war bewundernswert, auch als sie die Nachricht bekam, noch Metastasen im Hirn zu haben.
Als ich sie das letzte Mal besuchte, hatte ich im voraus Bedenken, wie wir zusammen reden könnten. Das Thema Tod war auch für Maria nicht einfach tabu. Sie freute sich, mich zu sehen, ein Gespräch war aber kaum noch möglich. Ich erzählte ihr von gemeinsamen Erlebnissen aus früheren Zeiten, an die sie sich bestens erinnerte.
Als ich sie verliess, tat es mir sehr weh, diese aktive, interessierte Frau so passiv zu erleben. Ich realisierte aber, dass die Metastasen im Hirn ihr wahrscheinlich auch geholfen haben, so gut loszulassen.
Sie starb einige Tage später, knapp 70 Jahre alt.

Diese beiden Todesfälle im 2021 haben mich sehr beschäftigt und auch mit meinem eigenen Sterben konfrontiert. Ich habe aber auch viel gelernt und mir bleibt eine Dankbarkeit, dass ich lebe und diese Frauen kennen durfte.

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