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Abschied von der GrossmütterRevolution

Telsche Keese

«Irgendwann ist Schluss», habe ich mir gesagt, und tatsächlich: Jetzt kommen mit dem Neubeginn jüngere Frauen. Sie werden die von uns vorgespurten Themen wie Gleichberechtigung, gerechte Löhne oder unsere Vorstellungen rund um Care mit frischem Schwung weiterverfolgen. Jüngere Frauen haben andere Biografien als ich. Ich gehöre zu den Frauen der 60er/ 70er Jahre, die heirateten, um dann Kinder zu erziehen. Das war damals unsere Bestimmung und klarer gesellschaftlicher Konsens. Schlummernde berufliche Fähigkeiten zu entwickeln, verschob ich auf später. Auf mich und meine Generation traf zu, was Simone de Beauvoir einmal gesagt hat: «Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen: sie bekommen nichts

(Fortsetzung)
In mir schlummernde Energien und Fähigkeiten als ausgebildete Fachlehrerin flossen in ehrenamtliche oder teilzeitige Arbeit. Also sehnte ich mich immer nach Kontakt mit anderen Menschen und Erfahrungswelten. Bis ich nach der Pensionierung zur GrossmütterRevolution stiess, hatte sich in mir viel Frust angestaut.

Hier fand ich schnell Gleichgesinnte. Wie viele unbewältigte Anliegen sich bei Frauen angehäuft hatten und auf Austausch drängten, zeigte die überwältigende Beteiligung am Frauenstreiktag 2019. Es zeigte mir, wie wichtig Frauensolidarität ist, und dass wir uns für unsere eigenen Belange einsetzen müssen. Insofern war mir sehr wichtig, dass Frauen in der GmR unter sich waren. Unsere lockere Art, miteinander umzugehen, fördert einen unbefangenen Gedankenaustausch. Sie lockt aus der Reserve und stärkt gleichzeitig das Selbstvertrauen in eigene Meinungen, um sie dann überzeugend vertreten zu können.
Mir ging es in der GmR darum, die Situation alter Frauen in der Gesellschaft sichtbar zu machen, denn alles dreht sich heute um die grosse arbeitende Menge. Uns Alte dagegen verliert die Gesellschaft leicht aus dem Blick. Es wird vieles über unseren Kopf hinweg entschieden, anstatt uns zu fragen, was wir brauchen. Für diese Anliegen sich einzusetzen, ergab für mich Sinn.
Mein Einstieg war eine Frühlingstagung in Olten zum Thema «Selbständigkeit und Abhängigkeit im Alter». Hier traf ich Gleichgesinnte in einer offenen Gemeinschaft. Schnell fand ich vorbehaltlose Zugehörigkeit. Jede Idee kann in der GmR zum Mitmachen dienen oder eigenverantwortlich als AG umgesetzt werden. Wo sonst gibt es so viel Freiheit und Unterstützung dazu? Das fand ich sehr ermutigend. Ob als Zuhörerin, schweigend oder überzeugte Wortführerin, alles hatte Platz. Ich lernte Probleme von vielfältigen Seiten zu betrachten, vieles weitete den Blick. Gedanken zu formulieren und sie zu vertreten, halfen mir, verschüttete Seiten an mir als Frau zu erfahren.
Die GmR war mein Gedanken-Spielfeld, sie ermutigte mich sogar, Verantwortung für eine Arbeitsgruppe zu übernehmen, in der wir Themen rund um das Altern besprechen. Dort werde ich auch weiterhin dabei sein. Nicht zuletzt hat meine Leidenschaft zu meiner Muttersprache im vorliegenden Format ihren Ausdruck gefunden. Ich werde nicht vergessen, wie belebend die jeweiligen Tagungen der GmR als Ideen - und Kontaktbörse waren. Noch oft werde ich an sie zurückdenken, sie waren meine liebsten persönlichen Auszeiten, sie gehörten ganz und gar nur mir.

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