Schliessen

Da sein als Mensch, als Frau, als Mutter

Bernadette Kurmann

Jacinda Ardern ist die Politikerin der Stunde weltweit. Es ist jene Frau, die sich am 15. März 2019 der grössten Tragödie Neuseelands mit Authentizität, Anteilnahme und Empathie entgegengestellt hat. Ein junger Neuseeländer hatte in zwei Moscheen 50 Muslime erschossen und zahlreiche verletzt. Die 34jährige Premierministerin trat hin, tröstete und vereinte die Menschen ihres Landes: als Mensch, als Frau, als Mutter. Mit ihrem Auftritt zog sie die gesamte Welt in ihren Bann.

(Fortsetzung)

Der Film in der Tagesschau ist unvergesslich. Jacinda Ardern besucht Angehörige der Opfer des Massakers. Sie trägt ein Kopftuch, und das Ausmass der Tragödie wiederspiegelt sich in ihrem Gesicht. Sie umarmt teilnahmsvoll eine Frau, die ein kleines Kind auf ihrer Hüfte trägt. Kein PR-Chef kann diesen Auftritt geplant haben. Hier steht ein Mensch, eine Frau, eine Mutter und teilt das unfassbare Leid mit den Betroffenen. Zu meinem Mann sage ich: „Ich habe Ähnliches bei einem Mann noch nie gesehen.“ „Ich auch nicht“, bestätigt er.

Solidarität mit den Opfern
Ihre Rede vor dem Parlament eröffnet sie mit dem arabischen Gruss „Salam aleikum“ (Friede sei mit euch). Damit stellt sie sich noch einmal auf die Seite der Opfer. Sie verurteilt die terroristische Tat aufs Schärfste. Neuseeland sei schon immer ein Einwanderungsland gewesen. Hier existierten unterschiedliche Kulturen und Religionen nebeneinander, und all das habe Platz in diesem Land. Damit trifft sie den Nerv der Bevölkerung und eint das Land. Die Menschen treten mit Sympathiekundgebungen für die Opfer ein und stellen sich gleichzeitig hinter ihre Regierungschefin.

Mutig und entschlossen
Sie stellt sich entschlossen gegen den Attentäter: „Mit seinem Terrorakt wollte er viele Dinge erreichen, eines davon war seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen.“ Das will sie verhindern: „Sie werden von mir seinen Namen niemals hören.“ Sie appelliert an die Angehörigen und an die Medien, den Namen des Attentäters nicht zu verbreiten, sondern die Namen derer zu nennen, die ihr Leben verloren haben: „Die Namen jener, die er ausgelöscht hat.“

In der Stunde der Trauer kündigt sie die Verschärfung des neuseeländischen Waffengesetzes an und geisselt die sozialen Medien. Sie zeigt sich entschlossen, gegen die Medien vorzugehen, die die Verbreitung des Massakers zugelassen hatten. Der Attentäter hatte seine Horrortat live gefilmt und über das Internet verbreitet und so ein Millionenpublikum gefunden. Eine Woche später wurde vom Parlament ein Waffengesetz verabschiedet, das halbautomatische Waffen, wie sie der Attentäter benutzt hatte, für den Privatbesitz verbietet. Damit wird sie zu einer Art Anti-Trump. (man erinnere sich an die Reaktion des amerikanischen Präsidenten nach dem Anschlag in Sutherland Springs, Texas 2017!)

Frau mit Vorbildfunktion
Jacinda Ardern ist die Tochter eines Polizeibeamten. Sie studierte an der Universität Waikato Kommunikationswissenschaften. Danach arbeitete sie bei Helen Clark, einer früheren neuseeländischen Premierministerin. Später war sie Politikberaterin von Premierminister Tony Blair in England. 2008 wurde sie ins neuseeländische Parlament gewählt, und 2017 zur Premierministerin. Mit 37 Jahren ist sie die jüngste weibliche Regierungschefin der Welt. 2018 wird sie Mutter einer Tochter und nimmt sich sechs Wochen Mutterschaftsurlaub. Kritik tritt ihr entgegen. Sie hatte schon früher verlauten lassen: Ob eine Frau Kinder wolle oder nicht, dürfe nicht ihre Chancen im Job bestimmen. Jacinda Ardern ist mit ihrem Mitgefühl und ihrer Entschlossenheit nicht nur ein Vorbild für ein Neuseeland in Trauer, sondern auch für alle Frauen und Männer dieser Welt.

Wir verwenden Cookies und ähnliche Technologien, um das Nutzererlebnis auf unserer Website zu verbessern. Durch die weitere Nutzung dieser Website stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies und ähnlichen Technologien zu. Mehr erfahren