Monika Fischer
Vierzig Jahre arbeitete sie oft als erste Frau im Fernseh-Journalismus, 20 Jahre davon in Kaderpositionen bei «Schweiz aktuell» und «Mensch Technik Wissenschaft» MTW. Dabei porträtierte sie wann immer möglich auch Frauen als Forscherinnen und zeigte: Die Forschung ist auch weiblich. Helen Issler ist Mitglied bei den Klimaseniorinnen und arbeitet seit ihrer Pensionierung im Vorstand von alliance F mit. «Es ist fast magisch, wie die politischen Frauenthemen seit dem Frauenstreik 2019 wieder aktuell sind», freut sie sich. Die Einführung des Frauenstimmrechts und die weitere Entwicklung der Gleichberechtigung hat sie viele Jahre privat und beruflich begleitet.
(Fortsetzung)
Learning by doing
Aus ihrer Lust, Dinge auszuprobieren und dem Wunsch, Journalistin zu werden, hat sich ihr Berufsweg ergeben. In Basel mit einer älteren Schwester und zwei Brüdern als Helen Keel aufgewachsen, lernte sie früh, sich zu wehren. Sie wollte ein interessantes Leben und packte sich bietende Gelegenheiten. Schon im Austauschjahr in Kalifornien hatte sie erste Kontakte zu Radio und Lokalfernsehen. Zurück am Mädchengymnasium wurde sie freie Mitarbeiterin bei Radio Basel in der Jugendstunde.
Nach der Matura, einer einjährigen Sprach- und Handelsschule, den Erfahrungen beim Radio und einem zweiwöchigen Testkurs wurde sie die erste weibliche Stagiaire in der Abteilung Information beim Schweizer Fernsehen. «Ich wurde ins kalte Wasser geworfen, konnte Reportagen drehen, erfahrene Regisseure begleiten und bald auch moderieren. Es war ‘learning by doing’ und Bewährung im Teamwork.» Das theoretische Rüstzeug bekam sie im Laufe der Jahre mit fernsehinterner Ausbildung, später auch in Kaderkursen.
Alles ging viel langsamer
Helen Issler hatte früh geheiratet und zwei Töchter geboren. Als die Mädchen klein waren, arbeitete sie nur wenig auswärts. Später hüteten die Grosseltern, Babysitter und der Vater bei Bedarf. Da die Familie nahe beim Fernsehstudio wohnte, konnte sie über Mittag heimfahren, viel zuhause recherchieren und Texte schreiben. «Alles ging damals vom ersten Kontakt bis zum fertigen Zelluloidfilm viel langsamer.» Mit zunehmendem Alter der Kinder weitete sie ihre Berufsarbeit aus und übernahm mehr Verantwortung. Nach 15 Ehejahren trennten sie und ihr Mann sich. Als Eltern wohnten sie aber noch jahrelang im gleichen Haus, bis auch die jüngere Tochter die Matura bestanden hatte.
Die streikenden Lehrerinnen als Vorbilder
Das aktuelle Thema der Einführung des Frauenstimmrechts vor 50 Jahren begleitete sie lange privat und beruflich. Als im Februar 1959 das Frauenstimmrecht abgelehnt wurde, streikten ihre Lehrerinnen am Basler Mädchengymnasium. «Das wurde zu meinem ersten politischen Erlebnis. Es war für uns Schülerinnen absolut schockierend, wie hämisch die konservative Presse und später die Fasnächtler auf diese hochgebildeten, aufmüpfigen Frauen reagierten und sie mit Begriffen aus dem Tierreich herunter machten. Die Lehrerinnen wuchsen in unserer Achtung und wurden zu Vorbildern. Sie zeigten uns, was es heisst, solidarisch zu sein und etwas zu wagen.»
In Basel erhielt Helen Issler schon 1966 mit gut 20 Jahren das kantonale Stimmrecht. Beim Umzug nach Zürich verlor sie es aber dann wieder - bis es 1970 auch im Kanton Zürich eingeführt wurde; 1971 dann bundesweit. Das Thema hat sie bei Schweiz aktuell begleitet, bis 1990 auch Appenzell Innerrhoden den Frauen das Stimm- und Wahlrecht zugestand. «Unglaublich, mit welchen Schreckensbildern damals gegen das Frauenstimmrecht geworben wurde! Es war fast Realsatire, gewissen Männern zuzuhören. Ich fand es verrückt, dass auch Frauen noch dagegen waren und verinnerlicht hatten, das zu sagen, was den Patriarchen gefiel.»
Als Frau durchgesetzt
Am 26. Januar 1968 moderierte Helen Issler als erste Frau das Inland-Informationsmagazin «Antenne». Später half sie mit, daraus die Sendung «DRS aktuell», die Vorläuferin von «Schweiz aktuell», zu entwickeln. 1990 übernahm sie deren Leitung. Als sie 1995 Stellvertreterin des Chefredaktors Peter Studer wurde, war sie wiederum die erste Frau in dieser Funktion. Von 1999 bis 2008 leitete sie das Magazin «Menschen Technik Wissenschaft» MTW und realisierte dafür auch Auslandreportagen. In ihrem letzten Arbeitsjahr testete sie angehende Stagiaires auf ihre Eignung und drehte Dokumentarfilme u.a. über 100jährige Zwillinge.
Welche Erfahrungen machte sie als oft erste Frau beim damals stark männlich geprägten Fernsehen? «Während der Ausbildung bemerkte ich, dass ein männlicher Kollege mit weniger Qualifikation mehr verdiente. Als ich beim damaligen Chef der Information (Hans O. Staub) nachfragte warum, erklärte der, dass ich als Frau ja weniger Ausgaben habe, da ich meine Blusen selber bügeln und selber für mich kochen könne…» Sie erzählt es lachend mit dem Hinweis: «Es brauchte Geduld mit den älteren Herren, aber es gab auch Momente, in denen ich als junge Frau im Vorteil war. Manchmal habe ich bei Interviews damit gespielt, dass mich der Befragte vielleicht unterschätzt hat.» Sie betont: «Beim Bildmedium Fernsehen spielen Aussehen und Ausstrahlung wohl eine Rolle, wichtig ist jedoch vor allem die Kompetenz. Frauen werden aber bis heute optisch und inhaltlich strenger beurteilt und mehr kritisiert.»
Forscherinnen porträtieren
Als Redaktionsleiterin bei der Sendung «Mensch Technik Wissenschaft» MTW wollte sie vermehrt Forscherinnen porträtieren und damit zeigen: Forschung ist auch weiblich. Das war nicht immer einfach. Sie berichtet von einem Fall, als sie eine hochqualifizierte Wissenschaftlerin bei ihrem Projekt begleiten wollte. «Dann rief diese an und sagte, ihr Chef wolle an ihrer Stelle vor die Kamera, sie könne das geplante Interview nicht geben. Das war eine Frechheit, dass sich ihr Chef vordrängen wollte. Mit einiger Überzeugungskraft setzte ich mich gegen ihn durch.» Und sie hält fest: «Heute haben die Frauen im Fernsehen in allen Bereichen aufgeholt. Es ist das lobenswerte Ziel bei SRF, wo immer möglich Frauen zu 50% auch als Expertinnen zu befragen.»
Gleichstellung in allen Bereichen
Frauenthemen und Gleichstellung sind ihr bis heute zentrale Anliegen. Deshalb engagiert sich Helen Issler im Vorstand von alliance F. Als sie vor Jahren als Stellvertreterin der ehemaligen Nationalrätin und damaligen Präsidentin von alliance F, Rosmarie Zapfl amtete, war es um die überparteiliche Frauen-Dachorganisation eher ruhig geworden. «Viele, vor allem jüngere, gut ausgebildete Frauen hatten das Gefühl, die Gleichstellung sei erreicht. Neuen Schwung brachten die #Metoo-Bewegung, die Diskussion über Lohngleichheit, den Vaterschaftsurlaub etc. und natürlich der Frauenstreik 2019. Es ist fast magisch, wie die politischen Frauenthemen wieder aktuell sind.» Sie freut sich deshalb sehr über den verjüngten, powervollen Vorstand mit den Co-Präsidentinnen NR Maya Graf und NR Kathrin Bertschy und viele erfolgreiche Einsätze für die Gleichstellung. Dazu gehöre zum Beispiel das Projekt «Helvetia ruft», das viele Frauen vor den Parlamentswahlen aufgeweckt und motiviert habe. Helen Issler hat Unterschriften für den Vaterschaftsurlaub gesammelt, und befürwortet sanfte Quoten in der Wirtschaft, die nun beschlossen sind. «Es ist wichtig, dass in unserer Gesellschaft alle Kräfte zur Geltung kommen, diverse Teams bringen erwiesenermassen bessere Lösungen».
Gegen Hassreden im Netz
Zurzeit engagiert sie sich im Projekt «Hate Speech» von alliance F. Als sie früher in der Öffentlichkeit stand, mussten die Leute für einen Kommentar zu einer Sendung noch Briefe und später Mails schreiben. Diese fielen oft, aber nicht immer wohlwollend aus. Doch man musste persönlich zu seiner Meinung stehen. Durch die Digitalisierung seien anonyme Hassreden im Internet zu einem grossen globalen Problem geworden. «Im Netz kann man fast alles schreiben. Es ist grausig, was es da an frauenfeindlichen und rassistischen Sprüchen gibt. Diese richten sich auch gegen Politikerinnen, Schwule und Lesben, die Wissenschaft, die Polizei, Menschen, die sich für die Umwelt engagieren und gegen Medienleute. Es ist unglaublich, was Trump mit seinen Fake News angerichtet hat.» Dagegen möchte sie mit andern anschreiben mit dem Ziel, das Internet zu einem besseren Ort zu machen. «Mit unseren Beiträgen wollen wir zeigen, dass es andere Stimmen gibt.» Es gehe dabei nicht darum, den Hater umzustimmen, sondern durch Argumente Mitlesende zum Nachdenken zu bewegen. «Es ist ein tolles, aber aufwändiges und mit viel Arbeit verbundenes Projekt, das erst anläuft. Man muss Optimistin sein, um mitzumachen und dranzubleiben.»
Leben im Solarhaus
Begeistert erzählt Helen Issler von weiteren freiwilligen Engagements. Dazu gehören das Mitmachen in der Projektleitung für den Schweizer Solarpreis, bei den Klimaseniorinnen und die Arbeit im Vorstand der Corporaziun Ucliva, die das erste Oekohotel der Schweiz gebaut hat und in Waltensburg/GR betreibt.
Ihr Engagement für Umweltthemen hat früh begonnen. Schon in den 60er Jahren begleitete sie die Anti-AKW-Bewegung journalistisch und interessierte sich für Alternativen wie Solarstrom und Windenergie. Es ist ihr und ihrem Lebenspartner, dem Umweltjuristen Gallus Cadonau wichtig, eine ökologische Lebenshaltung nicht nur zu predigen, sondern entsprechend zu handeln. Vor Jahren hat das Paar ein über 100-jähriges 4-Familien-Haus in Zürich gekauft und über längere Zeit ökologisch renoviert. «Jetzt produzieren wir im Jahresdurchschnitt mehr Solarstrom, als wir im Haus verbrauchen. Das ist ein sehr gutes Gefühl!»
Helen Issler schätzt das freiwillige Engagement. «Es sind befriedigende Aufgaben, die zusammenpassen. Wir engagieren uns gemeinsam mit guten, interessanten Leuten und können etwas bewirken. Das ist ein schöner Lohn.»
Ein gesundes Alter als Geschenk
Wegen der Pandemie lebte sie in den letzten Monaten zurückgezogen. Sie freut sich darauf, die Familien ihrer Töchter mit den vier Enkelkindern im Teenageralter, Verwandte und Freundinnen bald wieder «live» zu treffen und Theater und Kinos besuchen zu können. Sie ist gerne in der Natur unterwegs, geht joggen, im Winter langlaufen, im Sommer schwimmen. Mit dem Älterwerden hat sie bisher keine Mühe. «Ich bin gesund und fit. Falten und Altersflecken gehören mit den Jahren nun mal dazu. So möchte ich ‘in Ehren’ alt werden.»
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