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Der öffentliche Raum gehört allen

Bernadette Kurmann

Kürzlich ärgerte ich mich an einer Tischrunde darüber: «Die WCs der Frauen befinden sich fast in jedem Lokal zuhinterst oder dann im unteren Stock. Diejenigen der Männer sind meist an vorderster Stelle und leicht erreichbar.» Von den Männern erntete ich nur ein müdes Lächeln – in dem Sinne: «Hat die Probleme, typisch eine Feministin.» Ich war verletzt, denn ich bin überzeugt, dass das Problem tiefer liegt.

(Fortsetzung)

Die Anordnung von Frauen- und Männer-WCs in öffentlichen Gebäuden hatte mich schon früher beschäftigt. Ich suchte nach Gründen für das eigenartige Konzept: zuerst Männer-WCs, dann diejenigen der Frauen. Müssen Männer häufiger? Wahrscheinlich nicht, denn Warteschlangen gibt es vor allem vor Frauen WCs – ich denke nicht nur wegen der Pissoirs. Und befinden sich in den Frauen WCs nicht fast überall die Wickeltische? Also würde es Sinn machen, ihnen einen bevorzugten Ort einzuräumen. Ich fragte meinen Mann, einen Architekten. Er konnte mir keine schlüssige Antwort für diese übliche Anordnung geben. So ziehe ich mein persönliches Fazit: Der Grund ist Gewohnheit. Früher waren vor allem Männer im Ausgang. Die Beizen und Restaurants waren ausschliesslich auf Männer eingerichtet. Als die Frauen sich das Recht nahmen, auch öffentliche Orte aufzusuchen, wurden deren WCs irgendwo dazu gebaut. Schliesslich hatten die Planer diese Anordnung bis in die Neuzeit weitergeführt.

Neulich wartete ich an einer Ampel. Ich sah das rote Männchen und dachte mir: «Warum ist stets das männliche Geschlecht auf Ampeln und Verkehrszeichen abgebildet? Der Mann soll anhalten, der Mann darf bei Grün über die Strasse – und die Frauen und Kinder…?» Ich komme zur gleichen Antwort wie bei den WCs: Anfänglich fuhren nur Männer Autos. Um den zunehmenden Verkehr zu regulieren, erfand man diese männlichen Symbole. Logisch, denn damals waren Männer die Ansprechpartner. Die Symbole sind Relikte aus alter Zeit. Ist es nun lächerlich, wenn mich diese männlichen Symbole ärgern? Nein, finde ich. Denn was sagen uns solche Symbole und die Männer-WCs an vorderster Front? Nichts anderes als: Der öffentliche Raum gehört dem Mann – nach wie vor.

Wie freute ich mich in diesen Tagen über eine Nachricht aus Genf. Die Stadt will die Hälfte all ihrer Verkehrsschilder austauschen. Womit? Mit Symbolen, auf denen auch Frauen zum Halten aufgefordert werden, und Frauen erlaubt wird, über den Fussgängerstreifen zu gehen usw. Ein Detail? Finde ich nicht. Denn damit wird signalisiert, dass der öffentliche Raum allen gehört: Frauen und Männern, Alt und Jung.

Vor Jahrzehnten schon wurde die Frage nach dem öffentlichen Raum diskutiert. Damals ging es vor allem um Räume, die zu wenig ausgeleuchtet waren, um Parkplätze im dritten Untergeschoss, um unübersichtliche Parks, wo sich Frauen fürchten mussten. Hier ist in der Zwischenzeit einiges geschehen: Frauenparkplätze, bessere Beleuchtungen usw. Geht es nach der Genfer Stadtpräsidentin Sandrine Salerno, reicht es aber nicht, nur Angst-Räume für Frauen zu beseitigen. Ihr Anliegen ist umfassender: Ihr geht es um Gleichberechtigung im öffentlichen Raum. Grossartig, dass es immer mehr Politikerinnen mit dem fraulichen Blick gibt. Grossartig auch, dass sie sich um diese Themen kümmern!

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