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Warum kaufen wir dann Bananen?

Monika Fischer

Interessiert las ich den Bericht über den Klimastreik der Schülerinnen und Schüler. Mit Slogans wie «Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut» und «Met eusem grosse CO2-Usstoss semmer eusi Erde ganz schnell los» hatten am Freitag 20'000 Schülerinnen und Schüler in verschiedenen grossen Städten der Schweiz demonstriert. Manche nahmen dafür unentschuldigte Absenzen in Kauf. Plötzlich stutzte ich bei der Foto in der Zeitung. War das wirklich eine meiner Enkelinnen? Mit erstem Gesicht, den Mund so weit offen, dass ihr Schreien ohne Worte hörbar wird? «Üsi Zuekunft» heisst es auf dem Plakat, das die Zwölfjährige mit ihrer Freundin trägt.

(Fortsetzung)

Der Anruf zeigte: Sie war’s. Doch was hatte sie zum Mitmachen an der Demo bewogen? Die Enkelin erzählt von der 16-jährigen Schwedin Greta Thurnberg. Keineswegs angetrieben durch «irre Erwachsene», wie ein Weltwoche-Redaktor geschrieben hat, sondern aus persönlicher Sorge um die Klimaentwicklung, blieb sie im letzten heissen Sommer drei Wochen der Schule fern und streikt seither jeden Freitag vor dem schwedischen Parlament. Sie will bleiben, bis Schweden die Ziele des Pariser Abkommens erfüllt. Sie trat unter anderem an der UNO-Klimakonferenz im polnischen Katowice auf und redete den Politikerinnen und Politikern ins Gewissen. Das Video davon verbreitete sich rasant im Netz. Unter dem Motto #FridaysForFuture motivierte sie Jugendliche in der ganzen Welt für Aktionen.

Es geht um unsere Zukunft
Von der Schülerorganisation der Kantonsschule gelangte der Aufruf in die Klasse meiner Enkelin. Die Jugendlichen diskutierten untereinander über die im Netz verbreiteten Infos und die Bedeutung eines besseren Klimaschutzes. Mit sechs Mitschülerinnen und Mitschülern entschloss sie sich, an der geplanten Demo mitzumachen. «Es geht um uns junge Menschen und um unsere Zukunft. Wie Greta verlangen wir von der Schweiz eine massive Drosselung des CO2-Ausstosses und die Einhaltung der Pariser Klimaziele.» Sie berichtete vom Gespräch mit dem Prorektor. Dieser meinte, persönlich unterstütze er ihr Vorhaben wohl. Als Prorektor müsse er ihnen jedoch zwei unentschuldigte Absenzen geben. Sonst jedoch hätte ihre Teilnahme an der Demo keine weiteren Konsequenzen.

Viele kleine Schritte
Ich wollte von der Enkelin wissen, was ihr öffentliches Auftreten für sie persönlich bedeute. «Wir können nicht alles verändern und doch im Alltag einiges tun», meinte sie. Sie achte zum Beispiel besser darauf, wie und wo sie Energie sparen könne. Auch gehe sie mit dem ÖV oder mit dem Velo zur Schule und an andere Anlässe, anstatt sich von den Eltern chauffieren zu lassen. Es seien die vielen kleinen Schritte, die etwas bringen. Ich erinnerte sie an unsere frühere Diskussion am Mittagstisch, als ich die Enkelinnen regelmässig hütete. Im Winter hatten sie sich Tomatensalat zum Essen gewünscht. Ich hatte ihnen erklärt, dass diese in der kalten Jahreszeit bei uns nicht wachsen und ihre Produktion im geheizten Treibhaus oder durch den Transport aus dem Süden mit viel Energie verbunden sei. Deshalb würde ich beim Einkaufen wann immer möglich auf saisonale und lokale Produkte achten und im Winter keine Tomaten kaufen. «Warum essen wir dann Bananen?», meinte die damals Sechsjährige. Ihre Antwort verschlug mir für einen Moment die Sprache.

Politisches Erwachen
Mit den Jugendlichen freute ich mich, dass ihre Aktionen in den Medien ein beachtliches Echo gefunden hatten. Und doch stimmten mich einige Reaktionen nachdenklich. Die Kinder sollen nur Radau machen und trötzele, sie würden sich rasch wieder beruhigen, war da zu hören. Oder in Leserbriefen hiess es, die Jugendlichen sollen doch bei sich selbst anfangen. Es seien doch alles verwöhnte Wohlstandsgofen, die sich im Alltag alles andere als klimafreundlich verhalten. - Warum diese negative Sicht auf die Jugend? Ist es das eigene schlechte Gewissen? Sind es Bequemlichkeit und Angst, selber etwas verändern zu müssen? Neben solchen negativen Äusserungen überwiegt jedoch die Freude darüber, dass sich die scheinbar so bequeme Wohlstandsjugend nicht nur um sich selber kümmert. Dass sie sich, angeregt durch ihr grosses Vorbild Greta, mit politischen Entscheiden und ihren Hintergründen auseinandersetzt. Dass sie aufsteht, auf die Strasse geht, aktiv wird und laut.

Gemeinsam sind wir stark
Was heisst das für uns Erwachsene, für uns Grossmütter und Grossväter dieser streikenden und demonstrierenden Jugendlichen? Sensibilisiert für die Bedeutung und den Schutz des Klimas, werden sie auch uns herausfordern. So, wie die Eltern von Greta, sagte doch ihr Vater in einem Interview, dass punkto Ökologie die Tochter eher die Eltern erzogen hätte als umgekehrt. So konsequent wie die junge Schwedin werden wohl die wenigsten sein. Manche Kinder und Jugendliche werden die Unterstützung von uns Erwachsenen brauchen, um dranzubleiben. Ich erzählte meiner Enkelin von uns Klimaseniorinnen mit über 1000 Vereinsmitgliedern und mehr als 700 Unterstützenden. Da alte Frauen von der mit der Klimaerwärmung verbundenen Hitze im Sommer besonders betroffen und gefährdet sind, haben wir beim Bund eine Klimaklage eingereicht. Damit möchten wir das Grundrecht auf Gesundheit durchsetzen, für uns und für künftige Generationen. Ich habe zwar die Klage unterschrieben, war aber bisher nicht besonders aktiv. Die demonstrierenden und streikenden Jugendlichen motivieren mich neu für den Klimaschutz. Ich freue mich auf die künftigen Diskussionen mit den jungen Menschen und habe den Enkelinnen versichert, dass sie auf uns zählen können: Wir alle sind herausgefordert! Wir bleiben gemeinsam dran! Gemeinsam sind wir stärker und werden etwas erreichen.

Nachtrag
Schon zwei Wochen nach dem Schülerstreik zog ich gemeinsam mit meiner Enkelin und 2000 Menschen aller Generationen in einem langen Demonstrationszug durch die Strassen der Stadt Luzern.

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