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​Solidaritäten statt Polaritäten

Monika Fischer

«Sollen linke Feministinnen mit bürgerlichen Frauen zusammenarbeiten?» Diese Frage der Journalistin in der WOZ Nr. 20 an die ehemalige Nationalrätin Christiane Brunner im Vorfeld des Frauenstreiks irritierte mich. Umso mehr freute mich die Antwort der Galionsfigur des Frauenstreiks von 1991: «Ich bin um jede Frau froh, die in die Politik geht. Feminismus ist nicht zwangsläufig eine Frage von links oder rechts. Beim Gleichstellungsgesetz etwa hatte ich Hilfe von Vreny Spoerry, einer sehr reichen Freisinnigen aus Zürich. Auch für sie gab es einen Grund, für Gleichstellung zu kämpfen, obwohl sie liberal war. Die meisten Männer hingegen haben sich darum foutiert. Ich habe immer viel Solidarität erfahren von bürgerlichen oder auch apolitischen Frauen, mein ganzes Leben lang.» Warum war 28 Jahre nach dem ersten Frauenstreik ein überparteiliches Zusammengehen der Frauen nicht mehr selbstverständlich? Was hat sich seither in Politik und Gesellschaft verändert?

(Fortsetzung)

Denn ähnlich wie Christiane Brunner hatte sich die ehemalige Nationalrätin Cécile Bühlmann über Veränderungen in der parteiübergreifenden Zusammenarbeit der Frauen geäussert: «Wir haben in den 90er Jahren in einem starken und solidarischen Frauennetz auf Bundesebene vieles erkämpft und erreicht, was heute noch gilt. Dazu gehören Rentensplitting, Betreuungsgutschriften, das fortschrittliche Gleichstellungsgesetz.» Leider sei das heute nicht mehr der Fall, meinte sie. Die Frauen definierten sich eher über Parteizugehörigkeit als über das Geschlecht.

Polarisierungen beherrschen heute Politik und Gesellschaft. Dies beobachtete ich auch im Vorfeld der Regierungsratswahlen im Kanton Luzern mit dem beschämenden Ergebnis einer erneut rein bürgerlichen Männerregierung. Über 1000 Frauen und zahlreiche Männer hatten im Komitee öffentlich für die einzige Kandidatin Korintha Bärtsch mit ihrem eindrücklichen Leistungsausweis geworben. Geradezu erschütternd wirkten auf mich die mündlichen Bemerkungen und die Kommentare in den Leserinnenbriefen von Frauen (und Männern). Sie wählten lieber einen Mann, der sich durch seinen Spardruck «ausgezeichnet» hatte, als eine «extrem linke Frau». Nachfragen zeigten: Die wenigsten hatten sich mit der ausgewiesen fähigen Kandidatin, der eine intakte Natur und soziale Gerechtigkeit zentrale Anliegen sind, ernsthaft auseinandergesetzt. Links also als Schreckgespenst? Als Schublade für eine bequeme Entsorgung für etwas, das nicht ins eigene Weltbild passt und möglicherweise Angst auslöst?

Warum diese unbesehenen Etikettierungen, verbunden mit gegenseitigem Ausspielen? Hat es in Zeiten von Trump und Co. mit dem zunehmenden Populismus, der damit verbundenen Schlagwortpolitik und den sozialen Medien zu tun? Mit schneller Abwertung und fehlender Bereitschaft, sich wirklich miteinander auseinanderzusetzen? Denn auch der folgende Vorfall im Vorfeld der Wahlen machte mich stutzig. Mit zwei Frauen diskutierte ich über die Möglichkeiten der Unterstützung der jungen Kandidatin auf der Landschaft. Dabei erzählte ich von meiner früher politisch tätig gewesenen Schwiegermutter und ihrem engagierten Einsatz für die Frauen auf dem Land. «Aber die war doch bürgerlich», meinten sie abschätzig.

In Erinnerung geblieben ist mir die Teilnahme an einem Podium über Rollenteilung in Familie und Beruf. Ich wies darauf hin, dass mehr Männer Teilzeitarbeit leisten könnten, wenn sie dies wirklich wollten und einforderten. Der liberale Parteipräsident und Unternehmer pflichtete mir als einziger bei und meinte nach dem Gespräch: «Unsere Meinungen liegen ja gar nicht so weit auseinander! Ich habe sie mir ganz anders vorgestellt. » Welches Bild er sich wohl von mir gemacht hatte?

Diese Erfahrungen und Beobachtungen zeigen: Vorurteile und einseitiges Schwarz-Weiss-Denken wird dem Menschen nicht gerecht und fördert Polarisierungen. In unserer Zeit mit ihren drängenden Fragen in Politik und Gesellschaft kommen wir nur weiter, wenn wir mit unseren unterschiedlichen Ansichten zusammenkommen, vorurteilslos aufeinander hören und offen über gesellschaftsfähige Lösungen diskutieren. So, wie es die beiden neuen Bundesrätinnen Viola Amherd und Karin Keller Suter vormachen.

Ein diesbezügliches Übungsfeld finden wir bei den Tagungen und in den Arbeitsgruppen der GrossmütterRevolution, wo unterschiedliche Frauen zusammenkommen und über gemeinsame Anliegen diskutieren. Unterschiedliche Frauen und Gruppierungen haben sich auch zum Frauenstreik zusammengefunden. Zeichen eines neuen Aufbruchs? So wie die von der Jugend ausgelöste Klimabewegung. Angesichts eines überlebenswichtigen Anliegens wird die Einteilung der Menschen in verschiedene Kategorien nichtig und fordert bei allen Unterschiedlichkeiten den Einsatz aller: von Frauen und Männern, von jungen und alten, reichen und armen, von linken und bürgerlichen Menschen.

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