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Wahlmonat März: Drehen an Ort

Bernadette Kurmann

Die Welt dreht sich um die eigene Achse. Diese Erkenntnis habe ich fast jedes Jahr im März, wenn der Wahlmonat vor der Türe steht. Immer wieder das gleiche Prozedere: Frauen werden vor der Wahl in Frage gestellt und persönlich verunglimpft. Männer werden gewählt, weil sie für politische Aufgaben wie ein Naturgesetz prädestiniert sind.

(Fortsetzung)

Empörung vor 25 Jahren
Im Radio höre ich von Christiane Brunner. Vor fünfundzwanzig Jahren war sie als Kämpferin für die Sache der Frau zur Bundesratswahl angetreten. Sie provozierte, war angriffig und hielt mit kecken Sprüchen nicht zurück. In den Wochen vor der Bundesratswahl begann eine eigentliche Schlammschlacht gegen sie. Von Nacktfotos war die Rede. Nicht die bewährte Gewerkschaftsführerin und Nationalrätin stand im Zentrum der Debatte, sondern ihre einfache Herkunft, ihre Patchwork-Familie und ihr äusseres Erscheinungsbild. Schliesslich wählte die bürgerliche Mehrheit nicht die vorgeschlagene Kandidatur der SP, Christiane Brunner, sondern eine Person nach ihrem Gusto: Wen wundert’s, einen Mann. Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Schweiz. Unter Druck erklärte der gewählte Mann, die Wahl nicht anzunehmen. In aller Eile wurde Ruth Dreyfuss neben Christiane Brunner, die sogenannte Zwillingsschwester, aufgestellt. Am Wahltag standen 10 000 Männer und Frauen auf dem Bundesplatz: Sie verlangten nach einer Bundesrätin. Diesem Druck der Bevölkerung musste das Parlament nachgeben. Ruth Dreyfuss wurde gewählt. Die Frauen erwachten aus ihrem Dornröschenschlaf und forderten den Zugang zu weiteren öffentlichen Ämtern, zu Parteien und Verbänden. In den kommenden Jahren stieg der Frauenanteil in Politik und Wirtschaft an.

Déja vu März 2018
Ich lese in den Zeitungen von Barbara Bär, die im Kanton Uri nach dem Anciennitätsprinzip zur Frau Landammen gewählt werden soll. Von ihrer Partei, der FDP Uri, wird sie nur unwillig portiert, was die SVP im Kanton Uri veranlasst, wiederum eine Art Schlammschlacht zu initiieren. Ihre Führungsqualitäten und ihr Kommunikationsvermögen werden in Frage gestellt. Dabei hat die Frau ein lange Karriere vorzuweisen: Jugendrichterin, Sozialvorsteherin, Gemeindepräsidentin von Altdorf. Vor vier Jahren wurde sie in den Urner Regierungsrat gewählt. Ihr Abstimmungsresultat war denn auch ernüchternd; in der Folge zog sie sich aus dem Wahlkampf zurück.

Ich kenne die Fähigkeiten von Barbara Bär nicht. Aber die Frage sei erlaubt: Warum sind es immer wieder Frauen, denen Fähigkeiten abgesprochen werden? Wurde Bundesrat Schneider-Ammann wegen seiner Kommunikationsschwäche nicht wiedergewählt? Oder sind die Führungs- und Kommunikationsfähigkeiten von Ueli Maurer, Buchhalter mit KV Diplom, oder Guy Parmelin, Landwirt und Winzer, je hinterfragt worden? Nein, Männer scheinen für solche Aufgaben von Natur aus prädestiniert.

Kaum Protest
Nach dem Rückzug von Barbara Bär gab es wenig Protest. Kaum jemand hatte sich für sie eingesetzt. Im März wurde bekannt, dass die Zahl der Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft rückgängig ist und der Ständerat die Debatte um "gleiche Arbeit gleicher Lohn" auf den Sanktnimmerleinstag verschoben hat. Schade eigentlich, denn auch im Wahlmonat März wurde Superverdiener Pierin Vincenz, einst Strahlemann der Banken, in Untersuchungshaft gebracht. Es sind immer wieder Männer wie Vincenz oder Nationalbank Hildebrand, beides bestechend gute Kommunikatoren, die - einmal an der Macht - den Boden unter den Füssen verlieren und ihre Stellung in unverschämter Weise missbrauchen. Den Männern scheint die Gesellschaft solche Fehltritte immer wieder zu verzeihen. Wie lange wollen wir Frauen uns das noch bieten lassen? Wir drehen uns nur im Kreis. Frauen, vor allem ihr Junge, wir sollten endlich wieder aufwachen!

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