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Unanständig und skandalös

Bernadette Kurmann

Das waren noch Zeiten, als die Banken ihre Kundinnen und Kunden wie Könige behandelten. Früher, man höre und staune, wurden Kontobesitzerinnen geradezu umworben, ihre Einzahlungen über die Bank zu tätigen - gratis. Mit den Jahren wurden die Banken knausriger. Hier wurde eine Zusatzgebühr verlangt, dort kostete eine Dienstleistung plötzlich etwas. Besonders schlimm kam es vor zehn Jahren, als Lehman Brothers die Bankenkrise einleiteten und Geldanlegen fast zum Verlustgeschäft wurden. Neue Einnahmequellen waren gesucht. Dabei entdeckten die Banken ihre Kundinnen und Kunden wieder. Ihre treue Kundschaft, die sie vor lauter Börsen- und Investmentgeschäften vorher ganz vergessen hatte. Doch der Umgang der Banken mit ihnen ist in der Zwischenzeit oft unfreundlich, unanständig und skandalös geworden.

(Fortsetzung)

Meine Bekannte, nennen wir sie Franziska, war einst eine bestandene Berufsperson im pädagogischen Beratungsbereich. Leider musste sie dabei wenig die Computertechnik anwenden. Seit über zehn Jahren ist sie pensioniert, ihre Computerkenntnisse versucht sie, mit viel Aufwand zu verbessern. Mit mässigem Erfolg. Bei ihren Versuchen, ihre Zahlungen unlängst per E-Banking zu absolvieren, bezahlte sie die Steuern gleich dreimal ein. Sie war bestürzt und sehr demotiviert.

Immer mehr Gebühren
Kürzlich beklagte sich Franziska über die Banken (ich erwähne bewusst alle, denn das Vorgehen ist überall ähnlich). Früher sei sie sehr umworben worden, ihre Zahlungen doch durch die Bank zu erledigen. Sie fand den kostenlosen Service toll. Vor zehn Jahren dann hiess es, für die Einzahlungen würden monatlich 10 Franken berechnet. Wessen Konto mehr als Fr 10 000.- enthielt, bekam einen Rabatt. Ein paar Jahre später wurde der Service auf 20 Franken erhöht, minus Rabatt . 2018 informierte die Bank - wie immer in wunderbar blumigen Worten -, dass nun für jede Bankeinzahlung 70 Rappen verrechnet würden; zusätzlich zu den monatlichen Gebühren, versteht sich, und weniger Rabatt als 50 Prozent. Man könne die Einzahlungen auch selber, bei ihnen am bankeigenen Apparat, vornehmen. Ihre Mitarbeitenden würden gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Weniger Dienstleistung
70 Rappen für eine Einzahlung fand Franziska zu viel. Sie wollte unter Anleitung lernen, ihre Einzahlung bei der Bank zu tätigen. "Die jungen Leute dort sind ja so nett und haben so viel Geduld", meinte sie kürzlich. In Bezug auf sie gäbe es nichts zu beanstanden. Aber, die Bank hatte in der gleichen Zeit von vier besetzten Schaltern auf zwei reduziert. Es entspreche einem Kundenbedürfnis, schrieb die Bank und verwies auf das E-Banking. Meine Bekannte nahm das erstaunlich gelassen hin und meinte: "Ja, die Digitalisierung! So ist der Zeiten Lauf."

Warteschlangen an den Schaltern
Die Folge für Franziska im Alltag war Schlangestehen, zusammen mit Heerscharen von oft älteren Personen, die fürs Einzahlen gekommen waren. In Sommer 2018 war es unerträglich heiss in den ehrwürdigen Hallen. Franziska mit ihrem kürzlich operierten Knie suchte nach einer Sitzgelegenheit. "Keine probaten Stühle standen zur Verfügung", empörte sie sich. Franziska macht nun Einzahlungen nicht mehr einmal Ende Monat. Nein, sie geht fast wöchentlich zur Bank, damit sie Übung bekommt. Wie eine Detektivin sucht sie den idealen Zeitpunkt, weil je nach dem die Warteschlangen kürzer oder länger sind. Die einzelnen Schritte, die der Apparat abverlangt, hat sie sich von der Bankangestellten fein säuberlich aufschreiben lassen. So hofft sie, beim nächsten Mal zu ihrem Ziel zu kommen.

Eine Marktlücke
Sie werde es in absehbarer Zeit ohne Unterstützung schaffen, sagt sie voller Mut und fügt hinzu: "Ich träume von einer Bank, die diese Marktlücke erkennt und sich gezielt auf die Bedürfnisse der alten Leute einstellt." Franziska ist überzeugt, dass es ein gutes Geschäft wäre. "Stell dir vor, wenn alle alten Menschen ihre Guthaben zu einer Bank transferierten, die ihre Bedürfnisse ernst nimmt!" Bei dieser Vorstellung lacht sie schelmisch. Ich staune über ihren Humor und ihre Gelassenheit. Oder ist es die Demütigung, das Gefühl wirklich zum alten Eisen zu gehören?

Mich empört das Vorgehen der Banken. Die ältere Generation sollte sich gegen solche Machenschaften vermehrt zur Wehr setzen. Wir sind langjährige Bankkundinnen und-kunden. Wir haben unser Geld Jahrzehnte lang auf den Banken deponiert, und jetzt werden wir derart unschön abserviert. Das Verhalten ist unanständig und skandalös!

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