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Wertschätzung für pflegende Angehörige

Monika Fischer

Seit Jahrzehnten engagiere ich mich in Arbeitsgruppen und als Journalistin für die pflegenden Angehörigen. Für jene Menschen, vorwiegend Frauen, die sich zu Hause freiwillig für ihre kranken oder behinderten Familienmitglieder einsetzen. Die sich oft bis an die Grenzen belasten und für ihre im Stillen geleistete Arbeit meistens wenig Anerkennung und Wertschätzung bekommen. Nach langem hat die Politik die Bedeutung dieser für die Gesellschaft unverzichtbare Arbeit erkannt. Ihr Wert wird in der Schweiz auf jährlich rund 9,5 Milliarden Franken geschätzt. Am Valentinstag fand in Luzern erstmals ein Dankesanlass für die pflegenden Angehörigen des Kantons statt. Der zuständige Regierungsrat sprach den Anwesenden seine Anerkennung und Wertschätzung aus und forderte von der Politik bessere Rahmenbedingungen für die pflegenden Angehörigen.

(Fortsetzung)

Seit Jahresbeginn lag die Einladung zum Dankesanlass «Für sich und andere sorgen» überall auf. Auf der Karte mit dem Logo des Kantons war zu lesen:

«Als Angehörige sind Sie stark gefordert, wenn Sie ein Familienmitglied betreuen und pflegen, das erkrankt oder behindert ist. Was Sie oft im Verborgenen und ganz selbstverständlich leisten, ist von unschätzbarem Wert und verdient meine grösste Anerkennung. Sie sind eine tragende Stütz unseres Gesellschaftswesens und leisten einen wichtigen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Gemeinsam mit verschiedenen Partnerorganisationen möchte ich Ihnen herzlich für Ihr Engagement danken und Sie als Zeichen unserer Wertschätzung zu einem Anlass einladen.»

Unterzeichnet war die Einladung mit persönlicher Unterschrift vom zuständigen Regierungsrat.

Stetes Tropfen höhlt den Stein
Zum einen freuten mich diese Worte. Doch sollte ich die Einladung annehmen und in den Lokalzeitungen darüber berichten? Ging es da nicht einfach um eine geschickt getarnte Wahlwerbung? Wollte man sich die pflegenden Angehörigen angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung mit der Zunahme an alten Menschen weiterhin als günstige Arbeitskräfte erhalten? Ich dachte daran, was wir in den letzten 25 Jahren in verschiedenen Arbeitsgruppen alles unternommen hatten, um dieses Thema an die Öffentlichkeit zu bringen. Wir hatten Seminare organisiert, Zeitungsartikel geschrieben, Politikerinnen und Politiker für die Thematik sensibilisiert. Lange schien sich wenig zu bewegen. Doch mit den Jahren zeigten sich erste Früchte. Entlastungs- und Ferienbetten, Angebote für Tagesstrukturen waren entstanden. Durch die Öffentlichkeitsarbeit ermuntert, wagten mehr und mehr Angehörige, professionelle Hilfe zu suchen und anzunehmen.

Politik ist gefordert
Auf Bundesebene wurde ein Gesetzesentwurf für die bessere Vereinbarung von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege erarbeitet. Im Kanton Luzern fordert die kantonale Pflege- und Betreuungsinitiative der CVP aktuell einen Steuerabzug von 5000 Franken für pflegende Angehörige. Die Manifestgruppe der GrossmütterRevolution verlangte in ihrem Manifest von 2016 den Ausbau der Entlastungs- und Beratungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige. Wie wichtig solche Vorstösse und regelmässige Öffentlichkeitsarbeit für diese Thematik sind, zeigte mir kürzlich die Aussage eines Sozialberaters der Pro Senectute. Pflegende Angehörige seien nach wie vor eines der zentralen Themen bei rat- und hilfesuchenden Menschen.

So wollte auch ich weiterhin dranbleiben und entschied mich zum Besuch des ausgebuchten Anlasses. Dabei bezeichnete der Sozialdirektor die pflegenden Angehörigen als sein Herzensanliegen. Mit den Worten «Hilfe annehmen ist eine Stärke. Schaffen Sie sich Atempausen, in denen Sie Kraft tanken können!» ermunterte er die Anwesenden, zu sich Sorge zu tragen. Er betonte gleichzeitig, Entlastungsangebote müssten finanziell für alle möglich sein. Die Politik sei gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen.

Weiterhin dranbleiben
Die Bedeutung der politischen Massnahmen hob ebenfalls Referentin Elsmarie Stricker hervor. Gemäss der Dozentin am Institut Alter der Berner Fachhochschule müssten zwei Bedingungen erfüllt sein, damit die für viele selbstverständliche Aufgabe befriedigend geleistet werden könne: Es brauche Wertschätzung von den Angehörigen sowie von der Politik, die sich «irgendwann auch im Portemonnaie zeige». Zudem brauche es Sicherheit, Unterstützung zu bekommen, wenn alles zu viel werde.

Der Dankesanlass für pflegende Angehörige soll auch in den nächsten beiden Jahren durchgeführt werden: Ein öffentliches Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung der freiwilligen Arbeit der pflegenden Angehörigen.

Veränderungen zeichnen sich ab
Infolge der kleineren Familien, der Distanz zu den Angehörigen und der Berufstätigkeit der Frauen werden weniger von ihnen bereit sein, die Angehörigenpflege zu übernehmen. Ob die Männer in diesem Bereich wirklich aufholen werden, wie prognostiziert wird?

Verändern werden sich jedenfalls die Ansprüche der betagten Menschen. Dies zeigten die von der Manifestgruppe der GrossmütterRevolution initiierten Fokusgespräche. Frauen im Alter zwischen 55 und 75 Jahren wurden zu ihren Erwartungen und Wünschen ans hohe Alter befragt. Die Ergebnisse zeigten: Die befragten Frauen wollen im Alter explizit nicht von Angehörigen gepflegt werden. Sie wünschen sich so lange wie möglich professionelle ambulante Unterstützung zu Hause.
Die 2018 herausgekommene Studie mit dem Titel «Selbstbestimmung und Abhängigkeit. Erwartungen von Frauen ans hohe Alter» kann hier bestellt oder heruntergeladen werden.

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