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«Männerschnupfen»

Bernadette Kurmann

Ich erinnere mich heute noch daran, wie wenn es gestern gewesen wäre: Wenn mein Vater erkältet war, gab es nichts zu lachen. Er war krank, so richtig krank. Er war kaum ansprechbar, sass herum oder torkelte durchs Haus und trug stets ein Beret. Legte er es ab, war Vater wieder gesund. Die Frauen im Haus schmunzelten hinter versteckter Hand. Ja, wir fanden schon, dass Vater ein zu grosses Aufsehen machte wegen eines «Schnuppers». «Der starke Mann, typisch», hiess es alleweil. Auch ich finde, einen Schnupfen einzufangen, ist unangenehm, und ich spreche jetzt nicht vom Coronavirus. Du fühlst dich immer unwohl, gehörst weder ins Bett noch zur Arbeit. Durch die sieben Tage musst du hindurch, ob du willst oder nicht. Mein Mann gehörte nie zu diesen «starken Männern». Er hielt den Schupfen alleweil tapfer aus.

(Fortsetzung)

Von Schwangeren und Männern
Jetzt habe ich Schwiegersöhne, und neulich tauchte der Begriff «Männerschnupfen» auf. Ei, wie spitzte ich da die Ohren und wollte wissen, was es damit auf sich hat! Meine Töchter erzählten, die Erkältung habe ihre Männer richtiggehend dahingerafft – für mehr als eine Woche. Die eine spöttelte wie ich früher: «Ja, die Männer!» Die andere zeigte eher Verständnis. Sie ist gerade schwanger und hatte eine Erkältung eingefangen: «Es ging mir miserabel, wirklich. Und erholt habe ich mich lange nicht.» Sie frage sich, ob das mit ihrem momentanen Hormonhaushalt zusammenhänge. Damit aber nicht genug: Auch ihr Mann habe so sehr unter dem Schnupfen gelitten, er habe Tage im Bett verbracht. Sie überlege, ob der Hormonhaushalt der Männer daran schuld sei, dass sie einen Schnupfen weniger leicht als Frauen wegstecken. «Das kannst du vergessen», lachte ich: «Die Medizin hätte das schon längst herausgefunden. Ihre Forschung orientiert sich seit jeher vor allem an Männern.» Meine Tochter wirkte unschlüssig.

Wissenschaftliche Schützenhilfe
Heute habe ich ihr einen Artikel geschickt, der genau ihre Vermutung bestärkt. «Die Männer sind anders krank», lese ich in der «Luzerner Zeitung» vom 19. Februar. Und: «Nun bekommen die verschnupften Männer Schützenhilfe von der Wissenschaft.» Wie war ich platt. Tatsächlich bekommen Männer nach viralen Infekten häufiger Komplikationen, und sie sterben häufiger an einer Grippe.

Eine breit angelegte kanadische Studie zeigt auf, dass Männer eine Grippe tatsächlich stärker erfahren als Frauen. Der Grund liegt beim genetischen Unterschied. Frauen sind besser gerüstet gegen Grippevieren, weil sie zwei X-Chromosomen besitzen. Aber noch nicht genug. Es gibt auch eine hormonelle Seite. «Das weibliche Sexualhormon Östrogen regt die Vermehrung der spezifischen Abwehrzellen an.» Das Immunsystem der Frauen wirkt schneller und aggressiver gegen Krankheitserreger. Auf der anderen Seite vernachlässigt das Testostern die Immunabwehr. «Je höher der Testosteronspiegel eines Mannes, desto träger wird die Abwehr.»

Optimierung möglich
Der starke Mann leidet also tatsächlich stärker an Grippeerkrankungen als Frauen. Ich kapituliere – fast. Denn da gibt es auch unterschiedliche männliche und frauliche Verhaltensmuster, wenn es um die Gesundheit geht: Frauen waschen ihre Hände dreimal so oft wie Männer. Männer essen weniger Obst und Gemüse, klagen mehr über Stress im Job. Und, das ist leider auch so: Männer gehen oft zu spät zum Arzt. Männer könnten sich also besser rüsten gegen Vireninvasionen. Aber all das ändert nichts daran, die Leiden der Männer während eines Schnupfens ernster zu nehmen. Ich werde in Zukunft nichts mehr zu lachen haben.

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