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Was heisst schon ein Monat danach?

Ruth Schaub

Wir sitzen gemütlich beim Nachtessen um meinen runden Tisch. Meine Gäste, Tochter mit Mann und Sohn, haben ein fertig gekochtes "Pot au feu" von zu Hause mitgebracht. Die deftige Suppe duftet wunderbar. Wir geniessen das feine Essen und haben – wie immer, wenn wir uns treffen – viel zu erzählen.

Mein Schwiegersohn erzählt eine kleine Geschichte:

Der See liegt ruhig, die Enten schnattern und die Schwäne gleiten über das stille Wasser. Es ist herrliches Wetter, die Sonne scheint, eine kühle Brise weht an der Promenade. Die Idylle ist perfekt.

(Fortsetzung)

Zwei alte Männer spazieren zusammen am See. Sagt der Eine: "Ich hätte Lust auf ein Glacé. Ich hole mir eines da am Kiosk, willst du auch ein Glacé?" Ja, sagt der: "Ein Vanille wäre prima." Nach ein paar Schritten ruft er ihm hinterher: "Schreibs auf, sonst weisst du wieder nicht mehr, was du bringen sollst." "Nein! alles klar, Vanilleglacé". Er lacht, lüftet kurz die Mütze und geht weiter zum Kiosk. Nach einer Weile kommt er zurück. In der einen Hand hält er eine in Papier eingewickelte Wurst, in der anderen Hand ein Stück Brot. Sagt der Freund: "Siehst du, ich habe doch gesagt, du sollst es aufschreiben! Jetzt hast du den Senf vergessen!"

Alle lachen wegen der unerwarteten Pointe. Aber irgendwie quält mich mein eigenes Lachen. Es ist überhaupt nicht lustig, wenn wir mit zunehmendem Alter langsam das Gedächtnis, und den Verstand verlieren und uns nicht dagegen wehren können. Darf man überhaupt darüber Witze machen? Oder ist gerade Lachen die beste Medizin?

Vor drei Monaten bin ich gestürzt. Die Knochenbrüche sind verheilt, aber ich bin nicht mehr so beweglich wie vor dem Unfall. Ich habe alle möglichen Beschwerden und ich habe begriffen, dass es offenbar einfach zum alt sein gehört, wenn man nicht mehr überall dabei sein kann, weil die Kraft fehlt.

Meine Devise: Nicht jammern! es geht nicht besser, wenn du jammerst, ja das gelingt mir immer seltener. Und wenn mir dann meine Freundin das Buch von Joachim Fuchsberger schenkt – das Buch mit dem Titel: Alt werden ist nichts für Feiglinge – ja dann frage ich mich, warum ich darüber nicht lachen kann!

Ruth Schaub, 87, ist seit 40 Jahren Witwe. Sie hat eine riesige Familie mit 5 Kindern, 18 Enkeln und zehn Urenkeln. Sie machte anfänglich bei der GrossmütterRevolution mit und ist Gründungsmitglied bei den „Klimaseniorinnen“.

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