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​Kein Geld …

Renate Metzger-Breitenfellner

Ich kann mich noch genau erinnern, obschon seit unserer ersten Begegnung Jahrzehnte vergangen sind: Ich stand in dieser wunderbaren, riesigen Kirche und hatte alles um mich herum vergessen. Sie war einfach grossartig. Kein Vergleich mit dem Petersdom, er kann ihr nicht das Wasser reichen, dachte ich. Kein Vergleich mit all den anderen Kirchen, die ich besichtigt und in denen ich Kerzen angezündet hatte. In London und Wien, in Jerusalem und Köln, in Sarajevo und Bethlehem, in Lusaka, Berlin, Salzburg, Marseille, München und Nazareth.

(Fortsetzung)

Nôtre Dame ist anders. Hat Atmosphäre. Hat Stil. Hat eine Ausstrahlung. Sie hat mich im Innersten berührt. Und so kann ich verstehen, dass sich jetzt, wo sie beinahe das Zeitliche gesegnet hätte, die Menschen zusammentun und sie retten wollen. Aufbauen. Flicken. In nur fünf Jahren. Und mit sehr viel Geld. Mit unfassbar viel Geld.

Ich bin auch dafür, dass sie gerettet wird. Wirklich.

Trotzdem bin ich schockiert. Es macht mich wütend, dass die Superreichen gerade jetzt ihre prall gefüllten Schatullen öffnen, um sich am Wiederaufbau zu beteiligen, während ganz in der Nähe Obdachlose skandieren, auch sie bräuchten ein Dach über dem Kopf, und während die Politiker den protestierenden Gelbwesten erklären, für ihre Anliegen sei leider kein Geld in der Staatskasse.

Kein Geld für Soziales, kein Geld für Randständige, kein Geld für das Welternährungsprogramm, kein Geld für die Menschen in den Flüchtlingslagern. Tut uns leid. Unmöglich. Kein Geld.

Und ein paar Tage später: Milliarden für eine Kirche.

Geld nur dann ausgeben, wenn es dem Image dient. Dem Prestige, um es mit dem «Spiegel» zu sagen. Dann aber bitte richtig: 500 Millionen Euro kommen von DREI französischen Unternehmerfamilien, 100 Millionen vom Mineralölkonzern Total. Und natürlich lässt sich auch die Regierung nicht lumpen – und spricht Geld. Das Geld, das sie den Gelbwesten verweigert, weil es angeblich nicht da ist. Und so kommt eines zum anderen und eine Milliarde zusammen in eineinhalb Tagen.

Jetzt ist sie also gerettet, die Kirche, der Wiederaufbau in Rekordzeit gesichert, die Finanzierung im Trockenen. Schön für Frankreich, schön für Paris. Schön für Nôtre Dame. Wenn sie in fünf Jahren in neuem Glanz erstrahlt, fahre ich hin und zünde eine Kerze an. Für all jene, denen diese Milliarden nichts, aber auch gar nichts nützen – obschon sie ein wenig Unterstützung bitter nötig hätten.

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